mehr als das gold.... oder, wie die deutsche sprache der deutschen sprache auf die sprünge hilft

Mehr als das Gold
hat das Blei die Welt verändert,
und mehr als das Blei in der Flinte
jenes im Setzkasten der Drucker.

(Georg Christoph Lichtenberg, 1742-1799)

wieviel gedanken wurden wohl schon gesetzt, gedruckt , zu büchern gebunden, jederzeit zum abruf bereit?! spätestens, seit johannes gutenberg mit seinen erfindungen um die schwarze kunst einen ganzen industriezweig erfand, türmen sich die berge der bücher zum himmel, geballtes wissen, gesammelte gedanken, gedruckt seit nunmehr über 550 jahren!

links: setzkasten für den plakatsatz, eine sogenannte blockschrift.

 

mitte: einige utensilien aus meiner zeit als schriftsetzer: klischees, ahle, kolumnenschnur, lettern,nummernsstempel und in der mitte das wichtigste , der winkelhaken, mit welchem ich noch bis 1991 meine brötchen verdiente. das klischee oben entstand nach einer von mir angefertigten grafik.,

 

rechts: blick in einen sogenannten setzkasten, hier befanden sich also keine sammlerfiguren, wie heute oft zu sehen, sondern die lettern, die bleibuchstaben (gegossen aus einer legierung der anteile blei , zinn und antimon), die kästen hatten eine genormte belegung der fächer, jeder buchstabe hatte somit seinen bestimmten platz im setzkasten.

 

so ist es auch immer wieder interessant , in älteren grafischen schätzen zu blättern und zu stöbern. der geruch von alten büchern ist für mich daher wie ein zu erschnuppernder, unschätzbarer vorhang in vergangene zeiten und gedanken...

und so manches wort aus heutiger zeit bekommt wieder den anstrich des ursprünglichen des eigentlich gemeinten. die deutsche sprache hilft der deutschen sprache auf die sprünge.  hier einige beispiele, entnommen einem abgegeriffenen kleinen büchlein, dem "grafischen jahrbuch von 1943"

 

.. und nun: die vergessene bedeutung:

"den amtsschimmel reiten"

aus formalen gründen die erledigung einer sache hinauszögern. in lange zeit lagernden akten bilden sich unter dem einfluss von feuchtigkeit schimmelpilze. dieser schimmel ist ursprünglich gemeint. in launiger übertragung auf das ebenso genannte weisse pferd und in anlehnung an "schimmelreiter" ist die redensart "den amtsschimmel reiten " entstanden.

 

unter aller kanonebedeutet: sehr schlecht. diese redensart hat mit der schusswaffe kanone nichts zu tun. schlechte arbeiten aus den lateinschulen zensierte man mit: "sub omni canone", das heisst: unter allem kanon (ton auf der erstensilbe). das wort "kanon" (aus dem griechisch-lateinischen canon) bedeutet ursprünglich rohrstab, dann massstab, regel, richtschnur, weil rohrstäbe in alter zeit als massstäbe dienten

 

am hungertuch nagen sich recht kümmerlich ernähren. das hungertuch ist das blaue tuch , das zur fastenzeit in katholischen kirchen zum verhüllen der altarbilder dient. Ursprünglich sagte man: am hungertuch najen = nähen (althochdeutsch najan). dieses "najen" wurde später, im 16. jhd. zu "nagen" umgedeutet.

verstellbarer winkelhaken zum setzen der zeilen, hier "Fahrkarte" eigentlich verkehrt herum, denn gesetzt wurde nicht nur seitenverkehrt , sondern auch auf dem kopf stehend.

 kunterbunt

verworrenes durcheinander. der ausdruck entstammt der musikantensprache und ist geformt aus "kontrapunkt". in einer alten dichtung "schwabenkrieg" (1499) heisst es: "conterpunt war darbi zwar, lieplich gieng es durcheinander gar." ursprünglich bezeichnete also "kunterbunt" das stimmendurcheinander eines kontrapunktisch geführten musiksatzes

 

auf den leim gehen, pech habenauf etwas hereinfallen. die vogelfänger stellten mit pech oder leim bestrichene ruten auf. die vögel, die "auf den leim" gingen, blieben daran haften und konnten nicht mehr wegfliegen. sie hatten "pech", waren mithin richtige "pechvögel".

 

stein und bein schwörenden stärksten eid schwören. er wurde vor dem altar auf die reliquien von heiligen abgelegt. stein istdie altarplatte, bein das gebein der heiligen. die redewendung "stein und bein" kann auch lediglich bekräftigend sein,zum beispiel: "es friert stein und bein", das heisst: sehr hart.

... dies soll fürs erste als exkurs in die vergangene geschichte unserer muttersprache reichen. doch versprochen ist, es folgen weitere.mitunter erstaunenswerte kenntnisse unseres sprachgebrauches, welche schon mal unter uns weilten, oft nur schlummern.

sie zu wecken, soll mir ein begehr sein.

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