es war schon dämmrig und das volksfest schien in gemütlichem ausklang mit sich selbst zu sein, hier und da hatten noch ein paar händler ihre stände hartnäckig gegen den vorwurf des "sich nicht lohnens, hier überhaupt einen stand aufzubauen" verteidigt. es sollte ihnen jedoch immer schwerer fallen.
so nach und nach leerte sich der platz, oder der innenhof dieser domäne, ein ehemaliges kloster? ja was war es denn eigentlich. ich schaute mich um. hier waren die häuser rings um das mit alten "katzenköpfen" bepflasterte gelände - ich lächelte jedesmal, wenn ich jemanden so über diese kleinen, rundgelutschten pflastersteinchen reden hörte - angeordnet, in kleinen aufgelockerten grüppchen. ... sonderbar, irgendwie erkannte ich gebäude aus meiner kindesheimat obhausen. uphusa, mein altes kleines dörfchen inmitten der schwarzen erde anhalts. es hatte viele schöne, weil alte gebäude. diese konnten geschichten erzählen.
aber wieso sollten gerade diese hier zu erkennen sein? nein, DAS ist nicht mein dörfchen, und dennoch, eine kleine heimatlichkeit trat ihren weg ins feinsinnige gemüt an. ich betrachtete die fragmental noch vorhandene festtagsmasse, dort ein leergeputzter grillstand, hier kartonierte ein fliegender händler holzpantinen, eine kleine kapelle polierte, müde auf hockern postiert, blasinstrumente, vereinzelt versprengte gruppen letzter besucher glitten gemächlich über die szene. ich schwebte ebenfalls an ihnen vorrüber. da gewahrte ich, im schweren historischen mantel, welcher den immensen leibesumfang vorteilhaft kaschierte, Eckard!
eckard stammte nun tatsächlich aus dem dörfchen, welches ich, in die weite welt ziehend, nun gut , nur 5 km weiter in richtung kreisstadt, nie ganz aus den augen verlor. zielstrebig kam eckard auf mich hinzu und sagte in seiner derben, für einen kirchspiel-leiter recht forschen weise: na hallo, wer ist denn hier wieder mal im lande! - seine übergrosse hand schüttelte mit nachdruck die meinige. sag mal, fehlt dir ein finger, oder hast du so kleine hände?! - ich überlächelte diesen schon oft aus diesem munde, mir jedoch angenehm humorvoll scheinenden satz. sag DU mal - wies ich erstaunt in die runde - soll das hier ob-hausen sein?!
hat sich einiges getan, was? bestätigte eckard lächelnd, wir haben einiges getan, was? die historie rückt näher! dort unsere alte bäckerei zum beispiel wird ein museum! und tatsächlich gewahrte ich just in diesem augenblick direkt vor uns einen dunklen schatten - ein grosses haus mit krüppelwalmdach hatte sich weiter als die umstehenden häuser in den platz hineingeschoben. krüppelwalmdach klingt recht unfertig, dachte ich kurz, jedoch mochte ich auch diese an meinen vater erinnernden bezeichnungen, die mir der gelernte zimmermann all die jahre sanft in meinen wortschatz geschoben hatte.
und das ist wirklich das haus von bäcker becker aus obhausen? bäcker becker - das mag jetzt lustig klingen, aber oft waren wir auf dem schulweg in kindertagen dort eingekehrt, um das pausenbrot wenigstens symbolisch gegen eine tüte mit fünf noch herrlich frischwarmen gebackenen pfannkuchen für 95 pfennige zu tauschen. der familienname bäcker für unseren bäcker war daher für uns angelebte normalität. ich schaute mir das haus vom ebenfalls korpulenten bäcker becker an. es sah vertraut und dennoch anders aus. ich gewahrte vor der ladenfassade baumaterialien, hinter den oberen fensterreihen war licht zu sehen, und einen meter dahinter gewahrte ich eine durchgehende glasfront, mitten im haus. Dahinter erstreckte sich ein grosser, weiter raum, welcher die ganze hausbreite einzunehmen schien.
da staunst du was?!, frug eckard, das wird nun unser museum, und stell dir vor, die bäckerei wurde früher nicht mit wind sondern mit wasser angetrieben, stellten wir bei grabungen fest, da schau! - eckard zog mich um die hausecke, tatsächlich! an der giebelwand klebte, ziemlich zerfallen, ein altes dunkles wasserrad direkt vor unseren augen. DAS hätt ich nicht gedacht, raunte meine stimme, jedoch mein geist erwähnte , nur kurz, jens!: seit wann werden bäckereien angetrieben! das ist doch keine mühle! stimmt, schwieg mein ego wissend. und eckard war verschwunden... jedoch stand ich noch immer vor dieser bäcker bäcker mühle , auf diesem immer dunkler und leerer werdenden festplatz...
ich ging weiter, wollte ich doch nun noch ein wenig mehr erfahren von dieser altvertraut, und dennoch befremdlich auf mich wirkenden gegend.. ich lief zur gegenüberliegenden seite, dort hatte ich ein licht, darunter eine treppe und davor zwei ältere herren, ins gespräch vertieft, entdeckt.. guten abend, stellte ich mich hinzu, hallo, kam es gleich im schönsten stereo aus beiden mündern, ich staunte nicht schlecht, als ich bei günstigem lichtfall der lampe vor dieser gaststätte abwechselnd in das gesicht von belmondo und und herrn quinn schaute. zwei gesichter mit tiefen furchen, von denen ich fast jede zu kennen schien: jean paul belmondo und anthony quinn! diese beiden grossen schauspieler aus meinen kindheits- und jugendtagen hier, direkt vor mir? ich muss sie wohl ein wenig verblüfft betrachtet haben, ein: schöner ort hier! unterbrach die stille. nanu, deutsch sprechen sie auch noch. du, wart, ich muss kurz auf die toilette hier, zeigte belmondo in richtung gastraum, dann können wir ja den spaziergang fortsetzen, - und der junge herr wird uns hier mal alles ein wenig erklären können, zwinkerte er mir zu. immer das selbe mit ihm, lächelte mich nun anthony seinerseits an, andauernd muss er aufs klo, wie sollen wir da diesen ort endlich kennenlernen, schöne häuser habt ihr...
wortlos nickte ich mit grossen augen alles ab, was mich die beiden fragten, während wir einige runden dieses mir vertraut-fremde plätzchen abschritten. eine mischung aus ehrfurcht und freude machte sich in mir breit! belmondo und quinn! mit mir, einfach mal so am spazieren! ob ich sie mal nach nem autogramm frage? nein!, erboste sich mein ego, lausche ihren gedanken und weisheiten, dieses erlebnis wirst du nicht ein zweites mal haben, das wirst du hier nicht mit schnödem sammlergeist zerstören. recht hast du , klopfte ich mir selbst auf die schulter, während wir mittlerweile wieder vor der bäcker bäcker mühle standen. ich mag alte häuser, anthony maß mit glasigem blick das haus ab, seine fast unter den buschigen augenbrauen verborgenen augen glänzten herzlich. ich fühlte mich langsam wohl zwischen diesen beiden alten schauspielerdiven durch die nacht in nichtobhausen zu schreiten. sie erzählten vieles, was ich mir nicht sonderlich merkte, die stimmen beider verschwammen in einem glücklichen rausch...
ein wecker klingelt, ich stehe auf, noch benommen, mit einem tiefen glücksgefühl.. ich werde diesen soeben erlebten traum aufschreiben. was er bedeutet, keine ahnung, aber anlehnen werde ich mich noch eine weile an ihn....
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