Hannah von Oben, episode 002: Hannah erhält einen Auftrag und beginnt aus Versehen gleich zwei Reisen...

Hannah hat es endlich geschafft! Frau Grochot ist sichtlich erleichtert: "Hannah, Kindchen! So bist Du also doch noch gekommen!" strahlt sie mit einer Weisheit, welche nur ältere Menschen haben können. "Ist doch Ehrensache, Frau Grochot", unterbricht Hannah höflich, "doch nun platze ich fast vor Neugier. Erzählen sie doch bitte, was ist noch zu tun und wo  kann ich das Geheimnis entdecken?!" "Ist das dein Freund?", schaut Frau Grochot ein wenig besorgt. "Nein, das ist Pit", antwortet Hannah ein wenig verlegen, "Ich habe ihn eingeweiht, er wohnt in dem besagten Haus", schaut HannahFrau Grochot wichtig in deren müde Augen. "So wollen wir keine Zeit verlieren, liebe Hannah, denn ich vermute, der Doktor hat letztens irgend etwas mitbekommen!" ermahnt Frau Grochot. Pit ist sichtlich verlegen und denkt sich gerade "Von wegen, eingeweiht! und Freund! das wird ja immer schöner!" Er wünscht sich an einen weniger verlegen machenden Ort. Tja, wenn er wüsste, wie schnell wünsche in Erfüllung gehen....

"Also, Hannah", beginnt Frau Grochot, " Nun wird Deine Reise beginnen, Du weisst, von der ich Dir letztens berichtete.", "Jepp, in den Wawel!" nickt Hannah. "Wichtig ist, dass Du den Schlüssel mitnimmst!", fährt Frau Grochot fort, "Dieser ist im grossen Keller des Hauses! An der hinteren Wand ist eine Nische In der Mitte der dritten Steinreihe wirst Du ihn finden." Pit spitzt die Ohren! "Nanu, davon weiss ich doch garnichts! und dabei wohne ich dort!". Er lauscht weiter, da die alte Frau mit erhobenem Zeigefinger fortfährt. "Hannah, Du darfst nur allein den Schlüssel anfassen, es darf kein anderer gleichzeitig ihn berühren, sonst passiert dir das, was mir wiederfuhr, Du weisst...!" Hannah nickt. "Hast Du noch meine Landkarte?" hält Frau Grochot Hannah an der Schulter, "Jepp, in meiner Tasche. Dort habe ich immer alles, was wichtig ist. Das ist meine Wichtigtasche!", grinst sie schelmisch. "Nun gut!", erwidert Frau Grochot. "Dann mach Dich auf den Weg! Und bedenke, Kindchen! In zwei Monaten musst du wieder hier sein, sonst ist es zu spät! Mögen die guten Geister über dich wachen!" "Oukidouki, Frau Grochot", verabschiedet sich Hannah, "Komm Pit, wir heben den Schatz!".... während sie noch einmal von Frau Grochot geherzt wird, entfernt sich murmelnd eine Gestalt vor der Tür und entschwindet in den Weiten des Flures.

Schnell ist der Rückweg abgestrampelt. Pit leistet ganze Arbeit. Schliesslich gilt es, einen Schatz zu heben! Einen Schatz! In dem Haus, in welchem er schon so lange wohnt! DAS muss er mit eigenen Augen sehen. Schnell zeigt er Hannah den Keller. Ohne Probleme haben sie die Nische entdeckt. "Na prima!", ruft er freudig aus "Alles, wie besprochen!" fiebrig zählt er die Steine. "Sag mal, lässt Du mir auch ein wenig Arbeit übrig", forscht Hannah, verblüfft über den neuen Elan von Pit. "Jahahaha!" jubelt dieser . "Tatsächlich, ein Schlüssel!" ruft er in den Keller. "Moment!", schreitet Hannah nun doch ein "Den, mein liebes Freundchen, nehme ich!" Kaum hat sie den Schlüssel in der Hand, als auf einmal von der Treppe her ein tiefes Brummen herüber schallt. "Am besten, ICH nehme den Schlüssel!"....

Augenblicklich erstarren Pit und Hannah. "Der Doktor!" entfleucht es ihr. Pit hat vor Schreck den Kopf eingezogen, wie die Schildkröte seiner Tante. Denn am Eingang steht ein hühnenhafter Schatten. "Los, gib den Schlüssel her, du Göre" stürzt der Doktor auf die beiden zu! Hannah will noch zur Seite springen, um den Schlüssel in Sicherheit zu bringen. Doch Pit hält sie vor Angst wie von Sinnen fest... und berührt... den Schlüssel! Dies geschieht gerade in dem Augenblick, als auch der Doktor nach dem Schlüssel langt....

Mit einem Mal beginnt ein ohrenbetäubendes Sausen. Alles dreht sich um Hannah, Pit und den Doktor. Und plums, fallen sie auf den harten Steinboden. Hannah schüttelt sich benommen. Doch dann erkennt sie schnell, was zu tun ist. Der Doktor liegt benommen am Boden. Sie rüttelt und schüttelt Pit, der sich gerade mühsam auf die Beine stellt. Dann zieht  sie an ihm aus Leibeskräften. "Schnell, doch, wir müssen weg, eh er wieder aufwacht!" ruft sie nach hinten. Mit zwei, drei Sätzen sind sie durch den Keller, den dunklen Flur, und aus dem Haus heraus. "Nur weg!" "Aber ich wohne doch hier!", lässt sich Pit immer noch ohne Widerstand ziehen. Auf der Strasse sieht einiges sonderbar anders aus....

"Nanu! Was ist denn hier los! Und... das ist doch nicht mein Haus!?" erschrickt Pit. "Ich erkläre es dir gleich", ruft Hannah im Laufen, während beide an einem sonderbar vorsintflutlich anmutenden Gefährt der Städtischen Reinigung vorbeihechten. Erst am Rande der Stadt wird Hannah Pit erklären, dass die Berührung des Schlüssels durch Ihn die gesamte Zeit durcheinander gebracht hat, scheinbar. Denn eigentlich sind ja nur sie in einer anderen Zeit. "Und der Doktor auch" fällt es Hannah erschrocken ein. "Was!!!", Pit kann es nicht fassen, "Um Himmels willen, Hannah! ich muss zum Abendessen wieder zu Hause sein. Mein Vater.." "Sorry, es tut mir leid," unterbricht ihn Hannah nur ungern, " Das wird nicht gehen!" es gibt nur eine Lösung: Auf nach Krakau zu Herr Schneider! Dort nur können wir alles rückgängig machen, er weiss wie!" Und Hannah breitet eine Landkarte auf dem am Platz befindlichen Tisch aus....

"Also!", beginnt sie, "Frau Grochot hat alles aufgemalt! Wir werden über Leipzig und Dresden reisen, dort an Breslau und Oppeln vorbei, und dann haben wir das alte Krakau direkt vor uns.!" "Breslau? Oppeln? Hä?" wundert sich Pit, "Ich passe immer in Geografie auf, doch was hier steht, gibt´s garnicht!" "Oh, doch, Herr Schlau! Pass auf: Breslau ist eigentlich Wroclaw und Oppeln ist Opole. Beide Städte liegen in Polen. früher hieß das Gebiet einmal Schlesien, und wurde von August, dem Starken verwaltet.!" "Ach, den kenne ich!" ruft Pit, "das ist der Sachsen-König!" "Stimmt, richtiger ist die Bezeichnung Kurfürst von Sachsen. Ausserdem war er auch König von Polen. Daher haben die Orte oftmals auch eine deutsche Bezeichnung. So, nun müssen wir aber weg hier, eh der Doktor kommt!" "Ach ja!" erinnert sich Pit, und plant weiter: "Nehmen wir ein Taxi? Ich habe aber kein Geld mit!" "Du, ähm, Pit! Ich glaube wir sind noch etwas früh hier, Ich vermute, wir werden garnicht so viele Autos antreffen." "Wieso das?" horcht Pit auf. "Schau mal, Pit, siehst Du irgendwo eins...?"

Pit schaut sich um. Tatsächlich, irgendwie ist alles anders. Er sieht kein Auto, nur eine Kutsche und ein paar Fahrräder in der Ferne. auch scheint es keine Antennen zu geben, keine Traktoren auf dem Feld, kein Asphalt. Sie gehen zu der Kutsche. Es ist eine Heufuhre, davor hat sich ein stattlicher Kutscher postiert, welcher wohl einem Historienverein entsprungen ist. "Entschuldigen sie! Sagen sie mal!", fragt Hannah gleich mit gekonnter Höflichkeit. "Welches Jahr haben wir?" "Willsde mich uffen Arm nähm, Du Knopp!" feixst dieser, "Isch gloob ooch, dasser nich wissd, dass seine Majestät dieses Schar fuffzich wärd!" grinst er wichtig und schnalzt dabei mit der Peitsche. "Was? der Sachsenkönig?!" erschrickt Pit! "schallend prustet der Kutscher los "Ich hau mich weg! Jehsd wo nich inde bretteruni, kleener?! Kaiser Wilhelm meine ich, seine Majestät!" ... und schlägt die Hacken zusammen. Nach einem kleinen verbalen Hin und Her erklärt Hannah dem Kutscher, dass es lebenswichtig ist, nach Krakau zu kommen. "Nix da, isch fohr nooch Laiptsch zurigg!" "Na, prima!" ruft Hannah und überzeugt den staunenden Kutscher, dass sie genau dorthin wollen und dass er zwei Helfer zum Abladen der Fuhre hat, wenn er beide mitnimmt. "los druff!" ruft er.... und im gemächlich zuckelnden Heuhaufen schlafen zwei Abenteurer einen tiefen Schlaf, bis ein lautes "Soo da wärn mer," beide weckt. "Ihr Schlafmützen, macht de Oochn off, da vorn isses alte Rathaus, mer sinn in Leiptsch, de Leut!". schiebt er hinterher.

"Haben wir die ganze Fahrt geschlafen?" fragt Hannah ungläubig, "Isch wüssde nisch, wer in mei´m Heu nich schlafen wärde!" entgegnet grinsend der Kutscher. Pit und Hannah reiben sich die Augen! Sie sind tatsächlich in Leipzig!

Wo werden sie die Fuhre abladen? Wo werden sie heute übernachten? Wird Pit je wieder zu Hause sein? Ist der Doktor aufgewacht? Kann Hannah ihr versprechen doch noch lösen, welches sie Frau Grochot gab? All diese Fragen hämmern im Kopf unserer Beiden. Doch nun heisst es erst einmal, das Fahrgeld zu bezahlen: Das Heu muss zum Empfänger....

Und Hannah wird bewusst: "Nun habe ich aus Versehen zwei Reisen begonnen: eine nach Krakau, und eine ins neunzehnte Jahrhundert. Na super!"

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