..von einem der auszog, dornröschen zu wecken...

ca 1350 stand sie schon hier am ort, die gute alte. heute habe ich mal im archiv gestöbert. darinnen sind fotos von der zeit, als ich mit ihr bekanntschaft schloss. dies ist mittlerweile acht jahre her. seit sieben jahren beginnt sie wieder zu leben. erst zaghaft, nun immer intensiver. doch seht selbst...

das mühlchen, 2009

 

schlafenszeit (1994-2002)

an einem kühlen grunde, unweit eines klaren bächleins schlief eine alte mühle. sie war zurecht müde: jahrhunderte hat sie den benachbarten bauern mehl gegeben, dem müller nahrung. 1953 war es damit vorbei. sie ging in rente. und erst jetzt meldeten sich ihre betagten glieder zu wort. nicht mehr gebraucht zu werden, bedeutet auch oft, einer pflege verlustig zu werden.

die jahre gingen ins land. die letzten bewohner verliessen sie 1994 und eine grosse einsame ruhe machte sich breit. die mühle war sich selbst überlassen. unkräuter, grosse und kleine tiere hielten einzug. der regen fand lücken im dach. und so siechte unsere gute alte dahin. ganze acht jahre waren ihre einzigen gäste marder, rotkehlchen, maus und ab und zu ein paar neugierige wanderer...

 

weckzeit (2002)

 

es war eigentlich nur noch eine frage der zeit, wann alten gebeine der mühle sich selbst nicht mehr tragen werden. vergessen, von vorbeiziehenden wanderern bedauert, geschah es auf einmal, dass die welt in wandel und die mühle mir den weg kreuzte. ich spürte sofort ihr stilles leiden, ich sah ihre schönheit durch bröselnde mauern, lose ziegeln und aus den angeln gehobene türen hindurch...

der besen belebte den staub der geschichte, das reissbrett erwärmte sich vom vielen zeichnen. die bautür vertrieb mit einem schlag den dornröschenschlaf. emsigkeit zog ein. dem angrenzenden garten geschah ein ähnliches, zaunkönig und bachstelze rieben sich verwundert die augen...

die morschen knochen des gemäuer wurden ausgetauscht, leben zog ein und ein raunen der erleichterung liess die alten balken erbeben. selbst die alte wiege sah: eine geburt steht an. die wiedergeburt eines liebenswerten geschichtsbuches...

und ob ihrs glaubt oder nicht. sie beschützte mich, vor herabfallenden ziegeln, vor brechenden dielen, vor ungesichterten abgründen. nicht eine blesse zog das janglieren mit den werkzeugen nach sich. schon waren die ersten wände zu erkennen, das dach erstrahlte in frischem rot. die blinden fensterlöcher bekamen neue augen...

 

am silvesterabend 2002 nahm das mühlchen dankbar meine freunde auf. noch mitten im restaurieren steckend, liess sie sich gern für die jahresendfeier schmücken. drei wochen später sollte ihr einsames dornröschendasein ein ende haben: jenne zog unter das schützende dach der guten alten...

 

formungen (2003)

nun endlich konnte ich dankbar die betagte frau schmücken. stück für stück. jeden tag. mit bücherregal, küche und herd fing es an. mittlerweile geht es ihr so gut , wie lange nicht. sie ist  vital, lächelt wieder. und ab und an, wenn der herbstwind durch den wilden wein an den wänden streift, erzählt sie von alten tagen, von kriegen, von hungersnöten, aber auch von forellen, hochzeiten in der benachbarten kirche und kinderspiel unweit des damals stets sich drehenden mühlrades.

ricke racke ricke racke...

 

und irgendwann, ich ahne es, werden wir beide vielleicht diesem rattern wieder lauschen können.. am kühlen grunde, unweit des klaren bächleins...

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Kommentare: 2
  • #1

    Bernd Jungnickel (Dienstag, 19 Januar 2016 20:28)

    Ich gratuliere ihnen für ihren Mut und für ihr großartiges Arrangement beim Wiederaufbau ihrer Mühle. Sie haben etwas großes geschaffen. Die Mühle und die Menschen in ihrer Nähe können stolz auf ihr Werk sein.
    Ich wünsche ihnen viel Gesundheit und weiterhin frohes Schaffen.

    Mit freundlichem Gruß
    Bernd Jungnickel

  • #2

    jenne (Dienstag, 19 Januar 2016 21:10)

    Vielen dank für die netten wünsche. auf alle fälle macht solch ein projekt auch persönlichen spass, vor allem, wenn er solches feedback erfährt. :-)